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LIA

Laboratory for Integrative Architecture 
LOREM IPSUM

URBAN SYSTEMS 2 – Konzepte der Überlagerung

BA-A: Städtebaulicher Entwurf, Winter 20/21


English version here.

Qualifizierung

Das Entwurfsstudio richtet sich an hochmotivierte Studenten, die sich mit Zeichnen, Modellbauen und weiteren Medien auskennen. Sie sollten neugierig und offen für einen Entwurfsprozess sein, der nach innovativen Lösungen sucht. Austausch-Studierende sind ausdrücklich willkommen.


Einführung


Berlins städtischer Raum befindet sich seit einigen Jahren unter Druck. Das anhaltende Bevölkerungswachstum hat eine Reihe von neuen Bedürfnissen ausgelöst, die sich  massiv auf die urbanen Systeme und dem begrenzten Raum der Stadt auswirken. Das Studio zielt darauf ab hybride, städtebauliche Konzepte zu entwickeln, die zwischen Bodenknappheit und Wachstumsdruck vermitteln können. Anhand eines heterogenen Gebiets in Berlin-Wedding soll untersucht werden in wie weit existierende urbane Systeme mit neuen Nutzungen überlagert werden können.

Urbane Systeme
Die Stadt ist ein reiches Geflecht verschiedener, urbaner Systeme. Urbane Systeme sind sowohl physisch – z. B. Bebauungsstruktur, Grünflächen, Verkehrsinfrastruktur – als auch nicht-physisch – z. B. sozial, politisch, rechtlich, wirtschaftlich oder digital. Sie haben verschiedene Größenordnungen – vom Gebäude über den städtischen Block bis hin zum Metropolraum) – und passen sich dynamisch den ständig neu entstehenden gesellschaftlichen Bedürfnissen an. Das Verständnis urbaner Systeme, ihrer Wechselbeziehungen, Wirkungsmaßstäbe und Dynamiken ist für den Städtebau als eine Disziplin, die heterogene Bedürfnisse in eine umfassende, räumliche Struktur integriert, von grundlegender Bedeutung.

Louis Kahn, Traffic Study, 1952

Berlin unter Druck
Ausgelöst durch ein rasantes Bevölkerungswachstum befindet sich Berlin seit einigen Jahren unter Druck.Mit derzeit ca. 3.750.000 Millionen Einwohnern hat die Stadt den höchsten Bevölkerungsstand seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erreicht.  In den letzten fünf Jahren verzeichnete Berlin 47.700 neue Einwohner pro Jahr. Das anhaltende Wachstum hat zu einem allgemeinen Anstieg der Immobilienpreise geführt und Gentrifizierungsprozesse in bisher sozial gemischten, zentralen Stadtteilen wie Kreuzberg, Neukölln und Friedrichshain ausgelöst. Die Preise haben auch zu Bevölkerungsverschiebungen von der Berliner Innenstadt in die günstigeren Stadtränder und darüber hinaus geführt. 

Neue Bedürfnisse
Das Wachstum hat eine Reihe von neuen Bedürfnissen und Nutzungen provoziert, die stadtweit wahrnehmbar sind und sich unmittelbar auf die urbanen Systeme der Stadt auswirken.

Um genügend Wohnraum für die wachsende Bevölkerung zu schaffen, benötigt die Stadt 20.000 neue Wohnungen pro Jahr. Infolgedessen werden die ehemals reichlich vorhandenen Brachen in rasantem Tempo mit neuen Wohnprojekten gefüllt – nicht ohne auf Widerstand bei der lokalen Bevölkerung zu stossen. Es stellt sich die Frage wie zwischen zwangsläufiger Veränderung und dem Erhalt von etablierten Strukturen vermittelt werden kann.

In zentral gelegenen Gebieten mangelt es an günstigen Wohnungen, aber auch an Wohnungen für junge Familien, WGs, Studierende oder ältere Menschen. Gleichzeitig wird der Neubau kostengünstiger Wohnungen durch öffentliche Wohnungsbaugesellschaften oder durch neu entstehende Genossenschaften zum Teil aufgrund der Verknappung von günstigem, öffentlichem Bauland immer schwerer. Günstige Angebote für vielfältige Wohnformen sind jedoch dringend erforderlich um den etablierten, sozialen Mix und eine ausgewogene Stadtentwicklung zu gewährleisten, aber auch um die allgemeine Diversifizierung der Lebensstile in der Gesellschaft zu berücksichtigen.

Das Wachstum fordert nicht nur das System des Wohnungswesens heraus, sondern setzt auch mikro-ökonomische Systeme unter Druck, wie z. B. kleine, produzierende Unternehmen in zentral gelegenen Gewerbegebieten: Im Gegensatz zu vielen Wohnquartieren genießen diese keinen "Millieuschutz" und laufen zunehmend Gefahr durch Wohnungsbau ersetzt zu werden.  Gleichzeitig scheint es angetrieben durch neue, dezentrale digitale Produktionsmethoden der sogenannten "Industrie 4.0" einen Trend zur kleinteiligen, urbanen Produktion, zu "offenen Werkstätten" und zu "Urban Manufacturing" zu geben. Es stellt sich die Frage, welche Konzepte den Nutzungsmix zwischen Wohnen und urbaner Produktion neu erfinden können.

links:  Wohnungsbesichtigung in Berlin; rechts: Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030

Das aktuelle Wachstum wirkt sich auch auf öffentliche Infrastrukturen, Dienstleistungen und den öffentlichen Raum aus. Die Auslastung von U- und S-Bahn zu Hauptverkehrszeiten erinnert mittlerweile an Paris oder Tokio. Die Räume und das Personal für Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser haben ihre Kapazitäten erreicht und müssen erweitert werden. Parks, Seen und Plätze werden voller und voller. Auf den Straßen ist ein signifikanter Verkehrsanstieg zu beobachten, ausgelöst durch Pendler und Lieferdiensten als Resultat des wachsenden Online-Marketing. Die steigende Popularität von Fahrrädern, Cargo-Bikes und Mobility-on-Demand-Systemen (wie Cars-on-Demand, E-Scootern und Pedelecs) steigert die Auslastung des öffentlichen Raumes zusätzlich. Der Druck auf die Straßen und die Diversifizierung der Mobilitätsformen stellt etablierte Oberflächenverteilungen zwischen den Verkehrsformen in Frage und spiegelt die Notwendigkeit wider, über neue, integrative Stadtstrukturen nachzudenken.

Darüberhinaus hinaus wirkt sich gegenwärtig auch die COVID19-Pandemie auf die Stadtentwicklung aus. Beispielsweise hat sich die schon vorher beobachtbare Zunahme des Arbeitens im Home-Office durch die Pandemie weiter beschleunigt. Das Ergebnis ist ein sinkender Bedarf an Büroflächen in den Innenstädten und ein wachsender Bedarf an Typologien und Wohnmodellen die Wohnen und Arbeiten verbinden können. Auch stellt sich die Frage nach der Umnutzung von Büroflächen, sollte sich dieser Trend weiter verfestigen.

Wachstum versus Bodenknappheit
Da Berlin als Stadtstaat ein begrenztes Territorium hat und sich der Berliner Senat aus Gründen der Nachhaltigkeit für eine Innenentwicklung entschieden hat, müssen das Wachstum und die daraus resultierenden Bedürfnisse durch die existierende Stadt und ihre Systeme absorbiert werden. Dadurch wird die ehemals für Berlin charakteristische Verfügbarkeit von (oftmals informell genutzten) Brachen und großzügigen Freiflächen in zentral gelegenen Gebieten grundlegend in Frage gestellt und Fläche für die Ansiedlung der neuen Nutzungen wird nun zur begrenzten Ressource.

Berlin fehlt es bislang an städtebaulichen Konzepten, die zwischen dem Wachstumsdruck und den daraus resultierenden Bedürfnissen auf der einen Seite, und der begrenzten Fläche des städtischen Raumes auf der anderen Seite, vermitteln können – dies legen aktuelle Diskussionen um die "produktive Stadt",  das "Hochhausleitbild" des Berliner Senats, die "Bodenfrage", Wohnhochhäuser oder die kontroverse Debatte um die sogenannte "Düsseldorfer Erklärung" nahe.  Es fehlt an städtebaulichen Konzepten, die intelligenter zwischen Bodenknappheit und Wachstum und den daraus folgenden Erfordernissen von Dichte, Programm, sozialer Mischung, Freiraumqualität und Mobilität vermitteln können.

Wachstumsdruck und Bodenknappheit fordern dazu auf die vorhandene Stadt, ihre Flächen und Räume effizienter zu nutzen, neue Flächenpotenziale zu finden und über die Überlagerung verschiedener Nutzungen auf demselben Raum nachzudenken. Es gilt die modernistische Idee der Funktionstrennung, die sich nach wie vor im Ressortdenken der Verwaltungen widerspiegelt, zu überwinden und urbane Systeme räumlich integriert zu denken. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie die Interessenetablierter sozialer und räumlicher Strukturen berücksichtigt werden können.

Konzepte der Überlagerung
In seinem Buch "Delirious New York" von 1978 beschreibt Rem Koolhaas wie in New York Wachstum und eine "Culture of Congestion" die vertikale Überlagerung neuer urbaner Programme provozierten.Welche städtebaulichen Konzepte der Überlagerung können wir uns für das aktuelle Wachstum Berlins vorstellen?

Das Studio zielt darauf ab hybride, städtebauliche Konzepte zu entwickeln, die zwischen Bodenknappheit und Wachstumsdruck vermitteln können. Anhand eines heterogenen Gebiets in Berlin-Wedding soll untersucht werden, in wie weit existierende urbane Systeme mit neuen Nutzungen überlagert werden können.

Schnitt:  Bandstadt Grunewald, Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte

Projektgebiet
Das Projektgebiet befindet sich westlich des S-Bahnhofs Südkreuz in Schöneberg und ist durchzogen von der Ringbahn, der ICE-Trasse und Autobahnen. Es hat Zugang zu vielen Verkehrsverbindungen und öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb und außerhalb der Stadt. Gleichzeitig schafft die komplexe Verkehrsinfrastruktur auch physische Barrieren zwischen den Nachbarschaften und Funktionen, so dass unzugängliche und unbebaute Räume zurückbleiben, die voneinander getrennt sind. Darüber hinaus stellen Lärmemissionen und Luftverschmutzung aufgrund der stark befahrenen Straßen, Eisenbahnen und Autobahnknotenpunkte eine große Herausforderung für eine anliegende Wohnbebauung dar.

Das städtische Gefüge des Gebietes ist heterogen, von vielschichtigen Verkehrssystemen durchzogen und durch Gewerbegebiete, Autowerkstätten, Sportplätze, verschiedene Wohnformen, Grün- und Kleingartenanlagen usw. gekennzeichnet. In naher Zukunft wird sich dieses Gebiet drastisch verändern und verdichten. Westlich des Bahnhofs Südkreuz ist die Entwicklung und der Bau eines vielseitig nutzbaren Stadtteils, der “Schöneberger Linse", im Gange. Trotz der neuen städtebaulichen Entwicklungen in der Nähe ist das volle Potenzial des Projektgebietes noch nicht ausgeschöpft. Die Nähe zu einem Verkehrsknotenpunkt, die vorhandene Funktionsvielfalt und die öffentliche Infrastruktur sind wichtige Qualitäten, die bei der städtebaulichen Entwicklung des Gebietes zu berücksichtigen sind.

Die Studierenden beginnen mit der Analyse des gesamten Projektgebiets innerhalb eines 1500 m x 1500 m großen Ausschnitts (Analyseausschnitt) und entscheiden später über ihren eigen Interventionsausschnitt, der innerhalb des Analyseausschnitts liegen und 500 m x 500 m groß sein sollte.

Herangehensweise

Im Laufe des Semesters werden unterschiedliche Themen und Fragen behandelt, die sich aus der Entwicklung von Konzepten der Überlagerung ergeben:

Bestand
Zunächst geht es darum die diversen urbanen Systeme des Projektgebiets, ihre Struktur, Elemente und Qualitäten darzustellen und ihre Wirkungszusammenhänge zu erörtert. Es geht darum den Bestand und seine Potentiale zu verstehen und zu bewerten. Was funktioniert, was nicht? Welche Qualitäten hat das Gebiet? Was fehlt?

Fläche
Darüber hinaus muss ausgelotet werden welche Interventions- und Flächenpotentiale der Bestand oder einzelne, urbane Systeme haben. Gibt es Flächen, die ungenutzt sind? Lassen sich Nutzungen existierender Flächen besser organisieren und werden so Flächen für neue Nutzungen frei? Haben Gebäude oder Nutzungen ausgedient und sollten abgerissen werden, um neue Flächen zu schaffen? Brauchen aktuell besetzte Flächen aufgrund technologischer Innovationen oder veränderter Auslastung zukünftig weniger Platz? Gibt es temporär Möglichkeiten Flächen durch zusätzliche Programme zu nutzen?

Programm
Eine weitere Schlüsselfrage ist die Suche nach einem adäquaten Programm aus Nutzungen für das Projektgebiet. Welchen stadtweiten Bedürfnissen kann das Gebiet überhaupt gerecht werden und welche Nutzungen resultieren daraus? Was braucht das Gebiet selbst? Welche Nutzergruppen sollen angesprochen werden? Welche Bedürfnisse haben sie? Welches Angebot muß das Programm beinhalten, um Akzeptanz von der lokalen Bevölkerung zu erhalten?

Struktur
Schließlich stellt sich die Frage welche städtebauliche Strukturen sich aus der Überlagerung von identifizierten Flächen und entwickeltem Programm ergeben können. Welche Bebauungs-, Freiraum- und/oder Erschließungsstrukturen und -typologien können den Bestand sinnvoll ergänzen? Müssen existierende Strukturen durch neue ersetzt werden? Welche neuen Hybride können entstehen?




Programm

Modul
Bachelor: ES Städtebaulicher Entwurf (EP 10ECTS/7SWS)

Allgemeine Termine
Oktober 21 2020 Start Wahlzeitraum ISIS-PRIO-POLL (s. KVV)
Oktober 22 2020 Online-Einführungsveranstaltung (s. KVV)
Oktober 28 2020 Ende Wahlzeitraum ISIS-PRIO-POLL (s. KVV)
Oktober 29 2020 Auswertung und Verteilung der Studierenden (s. KVV)
Oktober 30 2020 Veröffentlichung der Ergebnisse auf ISIS (s. KVV)
November 5 2020 10.00-18.00 h Online Studio-Einführung
Dezember 3  2020 10.00-18.00 h Online Pin-Up 1: Task A – Atlas / Analysis
Dezember 17 2020 10.00-18.00 h Online Pin-Up 2: Task B – Conceptual Brainstorm
Januar 21 2021 10.00-18.00 h Online Zwischenpräsentation: Urban Concept
Februar 11 2021 10.00-18.00 h Online Pin-Up 3: Urban Plan
Februar 25 2021 10.00-18.00 h Online Endpräsentation: Urban Design

Bitte prüfen Sie den Zeitplan auf ISIS regelmäßig für etwaige Änderungen.


Studioprogramm
Studierende werden mit einer Schritt-für-Schritt-Methodik arbeiten und städtebauliche Konzepte für Teilbereiche des Projektgebiets entwickeln. Darüber hinaus werden sie semesterbegleitend Auszüge städtebautheoretischer Texte lesen und als argumentative Unterstützung für ihre Projekte verwenden. Das Studio ist in vier Phasen unterteilt. In der ersten Phase wird kollektives Wissen über das Projektgebiet gewonnen: Eine kartographische und visuelle Analyse seiner urbanen Systeme, ihrer Elemente und ihrer Wechselbeziehungen zueinander wird den Reichtum und die Komplexität des Territoriums offenbaren. In der zweiten Phase wird das erlangte Gebietswissen durch Entwurfswissen ergänzt: Ausgehend von Referenzprojekten werden verschiedene Entwurfsszenarien auf dem Projektgebiet getestet und evaluiert. Aus diesen Studien wird in der dritten Phase ein städtebauliches Konzept durch einen Gesamtplan, thematische Pläne, Schnitte und Modelle im Maßstab (1:1000 - 1:500) entwickelt und durch Diagramme, Kartierungen und Illustrationen unterstützt. In der Endphase wird das städtebauliche Konzept weiterentwickelt und durch Pläne, Schnitte und weiteren Darstellungen der vorgeschlagenen Gebäudetypen (1:500) ergänzt. Studiobegleitend werden verschiedene Inputs und Workshops, z. B. zu GIS oder Modellbau, teilweise in Zusammenarbeit mit den anderen Städtebau-Fachgebieten des IfA, durchgeführt.

Für weitere Informationen bezüglich der Online-Lehre und des Semesterablaufs lesen Sie bitte
den Design Brief im Download Bereich.


Bachelor Vorlesungsreihe Städtebau
Die Vorlesungsreihe Städtebau ist eine Einführung in das städtebauliche Entwerfen und begleitet das Entwurfssemester Städtebau im 3. Semester Bachelor. Sie wird gemeinsam von den Fachgebieten Chora, CUD, Habitat Unit und LIA durchgeführt und via Zoom freitags von 8:30 bis 10:00 Uhr stattfinden.
Mehr Informationen hier.


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Kontakt


Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte die wissenschaftlichen Mitarbeiter:
Germain Chan g.chan@tu-berlin.de
Ali Saad saad@tu-berlin.de

Für technische Fragen zur Online-Lehre und damit verbundenen Plattformen und Programmen kontaktieren Sie bitte unsere Tutorin:
Katerina Mareckova mareckova@campus.tu-berlin.de

Für alle administrativen Angelegenheiten kontaktieren Sie bitte:
Katrin Ritter a20@tu-berlin.de
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