URBAN SYSTEMS
Urban Design studio, Winter 2019/20
Qualifizierung
Das Entwurfsstudio richtet sich an hochmotivierte Studenten, die sich mit Zeichnen, Modellbauen und weiteren Medien auskennen. Sie sollten neugierig und offen für einen Entwurfsprozess sein, der nach innovativen Lösungen sucht. Austausch-Studierende sind ausdrücklich willkommen.Task 0
Wenn Sie daran interessiert sind, an unserem Entwurfsstudio teilzunehmen, müssen Sie unser Open-Studio besuchen. Masterstudierende müssen an der Aufgabe 0 teilnehmen. Bachelorstudierende müssen sich in die Doodle-Liste eintragen (siehe allgemeine Termine). Alle weiteren Informationen werden während der Einführungsveranstaltungen und während des Open-Studio gegeben.Introduction
Abstract Berlins städtischer Raum befindet sich seit einigen Jahren unter Druck. Das anhaltende Bevölkerungswachstum hat eine Reihe von neuen Bedürfnissen ausgelöst, die sich massiv auf die urbanen Systeme und dem begrenzten Raum der Stadt auswirken. Das Studio zielt darauf ab hybride, städtebauliche Konzepte zu entwickeln, die zwischen Bodenknappheit und Wachstumsdruck vermitteln können. Anhand eines heterogenen Gebiets in Berlin-Wedding soll untersucht werden in wie weit existierende urbane Systeme mit neuen Nutzungen überlagert werden können.
Spatial City, Yona Friedman, 1958
Urbane Systeme Die Stadt ist ein reiches Geflecht verschiedener, urbaner Systeme. Urbane Systeme sind sowohl physisch – z. B. Bebauungsstruktur, Grünflächen, Verkehrsinfrastruktur – als auch nicht-physisch – z. B. sozial, politisch, rechtlich, wirtschaftlich oder digital. Sie haben verschiedene Größenordnungen – vom Gebäude über den städtischen Block bis hin zum Metropolraum) – und passen sich dynamisch den ständig neu entstehenden gesellschaftlichen Bedürfnissen an. Das Verständnis urbaner Systeme, ihrer Wechselbeziehungen, Wirkungsmaßstäbe und Dynamiken ist für den Städtebau als eine Disziplin, die heterogene Bedürfnisse in eine umfassende, räumliche Struktur integriert, von grundlegender Bedeutung.
Berlin unter Druck Ausgelöst durch ein rasantes Bevölkerungswachstum befindet sich Berlin seit einigen Jahren unter Druck. Mit derzeit ca. 3.750.000 Millionen Einwohnern hat die Stadt den höchsten Bevölkerungsstand seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erreicht. In den letzten fünf Jahren verzeichnete Berlin 47.700 neue Einwohner pro Jahr. Das anhaltende Wachstum hat zu einem allgemeinen Anstieg der Immobilienpreise geführt und Gentrifizierungsprozesse in bisher sozial gemischten, zentralen Stadtteilen wie Kreuzberg, Neukölln und Friedrichshain ausgelöst. Die Preise haben auch zu Bevölkerungsverschiebungen von der Berliner Innenstadt in die günstigeren Stadtränder und darüber hinaus geführt.
Neue Bedürfnisse Das Wachstum hat eine Reihe von neuen Bedürfnissen und Nutzungen provoziert, die stadtweit wahrnehmbar sind und sich unmittelbar auf die urbanen Systeme der Stadt auswirken.
Um genügend Wohnraum für die wachsende Bevölkerung zu schaffen, benötigt die Stadt 20.000 neue Wohnungen pro Jahr. Infolgedessen werden die ehemals reichlich vorhandenen Brachen in rasantem Tempo mit neuen Wohnprojekten gefüllt – nicht ohne auf Widerstand bei der lokalen Bevölkerung zu stossen. Es stellt sich die Frage wie zwischen zwangsläufiger Veränderung und dem Erhalt von etablierten Strukturen vermittelt werden kann.
In zentral gelegenen Gebieten mangelt es an günstigen Wohnungen, aber auch an Wohnungen für junge Familien, WGs, Studierende oder ältere Menschen. Gleichzeitig wird der Neubau kostengünstiger Wohnungen durch öffentliche Wohnungsbaugesellschaften oder durch neu entstehende Genossenschaften zum Teil aufgrund der Verknappung von günstigem, öffentlichem Bauland immer schwerer. Günstige Angebote für vielfältige Wohnformen sind jedoch dringend erforderlich um den etablierten, sozialen Mix und eine ausgewogene Stadtentwicklung zu gewährleisten, aber auch um die allgemeine Diversifizierung der Lebensstile in der Gesellschaft zu berücksichtigen.
Das Wachstum fordert nicht nur das System des Wohnungswesens heraus, sondern setzt auch mikro-ökonomische Systeme unter Druck, wie z. B. kleine, produzierende Unternehmen in zentral gelegenen Gewerbegebieten: Im Gegensatz zu vielen Wohnquartieren genießen diese keinen "Millieuschutz" und laufen zunehmend Gefahr durch Wohnungsbau ersetzt zu werden. Gleichzeitig scheint es angetrieben durch neue, dezentrale digitale Produktionsmethoden der sogenannten "Industrie 4.0" einen Trend zur kleinteiligen, urbanen Produktion, zu "offenen Werkstätten" und zu "Urban Manufacturing" zu geben. Es stellt sich die Frage, welche Konzepte den Nutzungsmix zwischen Wohnen und urbaner Produktion neu erfinden können.
Das aktuelle Wachstum wirkt sich auch auf öffentliche Infrastrukturen, Dienstleistungen und den öffentlichen Raum aus. Die Auslastung von U- und S-Bahn zu Hauptverkehrszeiten erinnert mittlerweile an Paris oder Tokio. Die Räume und das Personal für Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser haben ihre Kapazitäten erreicht und müssen erweitert werden. Parks, Seen und Plätze werden voller und voller. Auf den Straßen ist ein signifikanter Verkehrsanstieg zu beobachten, ausgelöst durch Pendler und Lieferdiensten als Resultat des wachsenden Online-Marketing. Die steigende Popularität von Fahrrädern, Cargo-Bikes und Mobility-on-Demand-Systemen (wie Cars-on-Demand, E-Scootern und Pedelecs) steigert die Auslastung des öffentlichen Raumes zusätzlich. Der Druck auf die Straßen und die Diversifizierung der Mobilitätsformen stellt etablierte Oberflächenverteilungen zwischen den Verkehrsformen in Frage und spiegelt die Notwendigkeit wider, über neue, integrative Stadtstrukturen nachzudenken.

links: Wohnungsbesichtigung in Berlin // rechts: Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030 |
Wachstum versus Bodenknappheit
Da Berlin als Stadtstaat ein begrenztes Territorium hat und sich der Berliner Senat aus Gründen der Nachhaltigkeit für eine Innenentwicklung entschieden hat, müssen das Wachstum und die daraus resultierenden Bedürfnisse durch die existierende Stadt und ihre Systeme absorbiert werden. Dadurch wird die ehemals für Berlin charakteristische Verfügbarkeit von (oftmals informell genutzten) Brachen und großzügigen Freiflächen in zentral gelegenen Gebieten grundlegend in Frage gestellt und Fläche für die Ansiedlung der neuen Nutzungen wird nun zur begrenzten Ressource.
Berlin fehlt es bislang an städtebaulichen Konzepten, die zwischen dem Wachstumsdruck und den daraus resultierenden Bedürfnissen auf der einen Seite, und der begrenzten Fläche des städtischen Raumes auf der anderen Seite, vermitteln können – dies legen aktuelle Diskussionen um die "produktive Stadt" , das "Hochhausleitbild" des Berliner Senats , die "Bodenfrage", Wohnhochhäuser oder die kontroverse Debatte um die sogenannte "Düsseldorfer Erklärung" nahe. Es fehlt an städtebaulichen Konzepten, die intelligenter zwischen Bodenknappheit und Wachstum und den daraus folgenden Erfordernissen von Dichte, Programm, sozialer Mischung, Freiraumqualität und Mobilität vermitteln können.
Wachstumsdruck und Bodenknappheit fordern dazu auf die vorhandene Stadt, ihre Flächen und Räume effizienter zu nutzen, neue Flächenpotenziale zu finden und über die Überlagerung verschiedener Nutzungen auf demselben Raum nachzudenken. Es gilt die modernistische Idee der Funktionstrennung, die sich nach wie vor im Ressortdenken der Verwaltungen widerspiegelt, zu überwinden und urbane Systeme räumlich integriert zu denken. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie die Interessenetablierter sozialer und räumlicher Strukturen berücksichtigt werden können.
Konzepte der Überlagerung In seinem Buch "Delirious New York" von 1978 beschreibt Rem Koolhaas wie in New York Wachstum und eine "Culture of Congestion" die vertikale Überlagerung neuer urbaner Programme provozierten. Welche städtebaulichen Konzepte der Überlagerung können wir uns für das aktuelle Wachstum Berlins vorstellen?
Das Studio zielt darauf ab hybride, städtebauliche Konzepte zu entwickeln, die zwischen Bodenknappheit und Wachstumsdruck vermitteln können. Anhand eines heterogenen Gebiets in Berlin-Wedding soll untersucht werden, in wie weit existierende urbane Systeme mit neuen Nutzungen überlagert werden können.

Projektgebiet
Das Projektgebiet befindet sich jenseits des Berliner S-Bahn-Rings in der des Nähe U-Bahnhofs Osloer Straße im Bezirk Wedding. Als Randgebiet zwischen dem Innenstadtbereich und dem Umland spiegelt es die vielfältigen Strukturen, Aktivitäten und sozialen Netzwerke des Stadtteils wider. Das Gebiet weist eine heterogene Bebauung auf, die u. a. aus Fragmenten der historischen Mietskasernenbebauung, Sozialwohnungen, Einfamilienhäusern, Gewerbegebieten, Kleingartensiedlungen, Friedhöfen, Gleisanlagen und Brachflächen besteht. Gleichzeitig beherbergt das Gebiet diverse städtische Programme und öffentliche Räume. Der Wedding befindet sich gerade in einem Imagewandel. Bevölkerungsvielfalt sowie preiswerte Wohn- und Geschäftsräume verändern den Ruf des Bezirks gegenwärtig von einem Arbeiterviertel hin zu einem Kunst- und Kulturstandort. Gleichzeitig steht Wedding aufgrund seiner Lage zwischen Zentrum und periphären Zukunftsprojekten, wie beispielsweise "Urban Tech Republic" in Tegel oder dem Kurt-Schumacher-Quartier, unter steigendem Entwicklungsdruck und befindet sich an der Schwelle zur Gentrifizierung. Das aktuelle Berliner Stadtentwicklungskonzept "Berlin Strategie 2030" sieht darin ein Potenzial und schreibt den Wedding als strategischen Zukunftsanker der Stadt fest, an dem sozioökonomische Vielfalt und bezahlbares urbanes Wohnen inmitten der rasanten Entwicklung koexistieren können.
Herangehensweise
Im Laufe des Semesters werden unterschiedliche Themen und Fragen behandelt, die sich aus der Entwicklung von Konzepten der Überlagerung ergeben:
Bestand
Zunächst geht es darum die diversen urbanen Systeme des Projektgebiets, ihre Struktur, Elemente und Qualitäten darzustellen und ihre Wirkungszusammenhänge zu erörtert. Es geht darum den Bestand und seine Potentiale zu verstehen und zu bewerten. Was funktioniert, was nicht? Welche Qualitäten hat das Gebiet? Was fehlt?
Fläche
Darüber hinaus muss ausgelotet werden welche Interventions- und Flächenpotentiale der Bestand oder einzelne, urbane Systeme haben. Gibt es Flächen, die ungenutzt sind? Lassen sich Nutzungen existierender Flächen besser organisieren und werden so Flächen für neue Nutzungen frei? Haben Gebäude oder Nutzungen ausgedient und sollten abgerissen werden, um neue Flächen zu schaffen? Brauchen aktuell besetzte Flächen aufgrund technologischer Innovationen oder veränderter Auslastung zukünftig weniger Platz?
Eine weitere Schlüsselfrage ist die Suche nach einem adäquaten Programm aus Nutzungen für das Projektgebiet. Welchen stadtweiten Bedürfnissen kann das Gebiet überhaupt gerecht werden und welche Nutzungen resultieren daraus? Was braucht das Gebiet selbst? Welche Nutzergruppen sollen angesprochen werden? Welche Bedürfnisse haben sie? Welches Angebot muß das Programm beinhalten, um Akzeptanz von der lokalen Bevölkerung zu erhalten?
Struktur
Schließlich stellt sich die Frage welche städtebauliche Strukturen sich aus der Überlagerung von identifizierten Flächen und entwickeltem Programm ergeben können. Welche Bebauungs-, Freiraum- und/oder Erschließungsstrukturen und -typologien können den Bestand sinnvoll ergänzen? Müssen existierende Strukturen durch neue ersetzt werden? Welche neuen Hybride können entstehen?

Program
ModuleStädtebauliches Entwurfsstudio Master: EP Städtebau I (EP 12ECTS/8SWS) Bachelor: ES Städtebaulicher Entwurf (EP 10ECTS/7SWS)
PiV Master: Projektintegrierte Veranstaltung zum Städtebau I (PiV 3ECTS/2SWS)
Allgemeine Termine
Oktober 07 2019, 14.30 h Einführungsveranstaltung Bachelor, Raum A151
Oktober 08 2019, 12.40 h Einführungsveranstaltung Master, Raum A151
Oktober 08 2019, 16.00 h Open-Studio, Ausgabe Aufgabe 0, Raum A814
Oktober 09 2019, 0-23.59 h Bachelor: Eintrag Doodle-Liste
Oktober 10 2019, 0-23.59 h Master: Abgabe Aufgabe 0, per E-Mail an unsere Tutorin Mihaela: mihaela.l.antonova@campus.tu-berlin.de
Oktober 11 2019, 10.00 h Präsentation Aufgabe 0, Raum A814
Oktober 16 2019, per E-mail, Informationen zur Zusage/Ablehnung
Oktober 17 2019, 10.00-18.00 h Einführung, Raum A814 (Teilnahme verpflichtend)
Bitte informieren Sie sich regelmäßig über die aktuellsten Änderungen im Zeitplan.
Studioprogramm
Das Entwurfsstudio ist in vier Phasen unterteilt. In der ersten Phase wird kollektives Wissen über das Projektgebiet gewonnen: Eine kartographische und visuelle Analyse seiner urbanen Systeme, ihrer Elemente und ihrer Wechselbeziehungen zueinander wird seinen Reichtum und seine Komplexität offenbaren. In der zweiten Phase wird das erlangte Wissen durch Entwurfswissen ergänzt: Ausgehend von Referenzprojekten werden verschiedene Entwurfsszenarien auf dem Projektgebiet getestet und evaluiert. Aus diesen Studien wird in der dritten Phase ein städtebauliches Konzept in Form eines Gesamtplans, seiner thematischen Schichten, von Schnitten und von Modellen im Maßstab (1:1000 - 1:500) entwickelt und durch Diagramme, Kartierungen und Illustrationen unterstützt. In der Endphase wird das städtebauliche Konzept weiterentwickelt und durch Pläne, Schnitte und weiteren Darstellungen der vorgeschlagenen Gebäudetypen (1:500) ergänzt.
Studiobegleitend werden verschiedene Inputs und Workshops, z. B. zu GIS oder Modellbau, teilweise in Zusammenarbeit mit den anderen Städtebau-Fachgebieten des IfA, durchgeführt. Das Studio wird mit der Erstellung einer Dokumentation abgeschlossen.
Bachelor-Studierende werden semesterbegleitend Auszüge städtebautheoretischer Texte lesen und als argumentative Unterstützung für ihre Projekte verwenden. Im PiV (projektintegriertes Seminar) erlernen die Master-Studierenden die Anwendung von Geoinformationssystemen (GIS) und wenden dieses Wissen projektspezifisch an.
Downloads
Timetable
Literature
Referezen
Task 0 Template
Studio Brief
Contact
Germain Chain
wiss. Mitarbeiterin
g.chan@tu-berlin.de
Ali Saad
wiss. Mitarbeiter
saad@tu-berlin.de
Secretariat
Katrin Ritter,
Sekretariat A 20, Raum 911.
Mittwoch bis Freitag: 11.00-13.00
a20@tu-berlin.de