DEEP TOWER |
Design studio, Winter 2017/18
Introduction
Abstract The rising replacement of productive uses and jobs from inner-city areas by housing asks for new ways of integrating production into the city . While this development seems logic from the housing perspective – housing and production can usually not co-exist without certain friction – the resulting segregation is quite problematic from a social and economic view as "our cities get more and more reduced to places of monofunctional housing, consumption and to locations of high-profile services"[2]. To keep production within the city despite the rising pressure on centrally located surfaces, we see a possibility in its vertical stacking. We want to investigate this potential using an experimental high-rise typology that allows for massive production on multiple floors, but also for urbanistically integrative programs such as housing or commerce: the Deep Tower. ![]() Produktive Stadt Schaut man auf die aktuell geplanten großen Wohnungsbauprojekte, mit denen der Berliner Senat den dringend benötigten Wohnraum schaffen will, verwundert: Trotz zahlreicher Absichtserklärungen für mehr Nutzungsmischung wird weiterhin in großem Umfang monofunktional und typologisch homogen gebaut. Diese vermeintlich überholten Prinzipien des Nachkriegsstädtebaus spiegeln sich auch in der aktuellen Baunutzungsverordnung wider. Sie verbietet es, in Wohngebieten störende Funktionen unterzubringen. In Zeiten von "Industrie 4.0" und neuer, leiser Produktionsmethoden und trotz einer jahrzehntelangen Debatte in der Fachwelt über mehr Mischnutzung treiben in den Verwaltungen und Gesetzgebungen die Geister der Funktionstrennung immer noch ihr Unwesen. Doch deutet sich vorsichtig eine Trendwende an. Vor einiger Zeit wurde der Ruf nach einem Milieuschutz für kleinteiliges Gewerbe laut, das derzeit gerade durch Wohnungen aus innerstädtischen Gebieten verdrängt wird. Diverse Absichtserklärungen der Bundesregierung und des Berliner Senats weisen auf die Wichtigkeit von produzierendem Gewerbe und "Urban Manufacturing" im städtischen Kontext hin. Bereits 2006 stellte Saskia Sassen auf einer Konferenz in Berlin heraus, dass "Urban Manufacturing" ein wichtiger Zulieferer für die großen Wirtschaftsplayer und den kulturellen Sektor ist, deren gegenseitiger Erfolg untrennbar verknüpft ist. Da Schmuckhersteller, Innenarchitekten, Möbelbauer, Produktdesigner, Bühnenbildner, Modedesigner, Bautischler oder Schmiede maßgeschneiderte Produkte anbieten, brauchen sie Kundennähe und einen großen und kurzfristig verfügbaren Pool handwerklich gut ausgebildeter Arbeitskräfte. Deshalb sind sie auf starke Netzwerke und Synergieeffekte angewiesen, für die ein urbanes Umfeld optimale Bedingungen liefert. Aus der Perspektive der Quartiere stellt Dieter Läpple die Bedeutung der lokalen Ökonomie wie folgt dar: "insbesondere die Stadtteil- und Quartiersbetriebe bieten wohnungsnahe Arbeits-, Ausbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten und erfüllen damit wichtige Aufgaben der sozialen Integration und Sozialisation." Abgesehen von der Unterstützung des Ausbaus von kleinteiligen Einheiten des Urban Manufacturing, verfolgen diverse Städte wie Berlin, Hamburg oder Brüssel, mittlerweile ebenso Strategien, die eine Abwanderung von großeren Industriebetrieben ins Umland bzw. ins Ausland verhindern soll, um Arbeitsplätze und Steuereinnahmen zu sichern. Urbane Gebiete Eine konkrete Perspektive hat ein kürzlich vom Bundestag verabschiedetes Gesetz aufgezeigt. Es schreibt eine neue Kategorie der "urbanen Gebiete" in der Baunutzungsverordnung vor. Sie soll die Mischung von Wohnen und produzierendem Gewerbe ermöglichen sowie höhere Grade der Dichte und Lautstärke erlauben. Hier wird eine Tendenz, weg von der modernistischen Idee der Konfliktvermeidung und funktionsgebundenen Effizienzoptimierung durch Trennung, hin zur Erkenntnis, dass Mischung einen kulturellen, sozialen und ökonomischen Mehrwert bringt, deutlich. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert allerdings zunächst die breite Einsicht, dass urbanes Wohnen nicht emissionsfrei sein kann, sowie eine Aushandlung des Grades an Mischung, der in urbanen Gebieten noch tolerierbar ist. Um dies ausloten zu können, müssen die Möglichkeiten und die Grenzen der Mischung vorstellbar gemacht werden. Herauszufinden, was stört und was noch tolerierbar ist, ist somit eine Frage der räumlichen Visionen, der Typologien und der Programme, mit denen Wohnen koexistieren kann. Hier ist dringend Raum für experimentelle Entwurfsansätze nötig. ![]() Stapelung von Gewerbe Um den aktuellen Wohnungsbedarf zu decken zielt die Gebietskategorie "Urbane Gebiete" in erster Linie auf die Einführung von Wohnnutzungen in existierenden, zentrumsnahen Gewerbegebieten. Eine Verdrängung des Gewerbes soll durch eine Erhöhung der baulichen Dichte und durch Mischnutzung vermieden werden. Dennoch ist davon auszugehen, daß sich trotz eines Milieuschutzes von 12 Jahren der Druck auf die Gewerbenutzungen steigern wird. Bislang wird bei der Nachverdichtung lediglich das Wohnen betrachtet. Mittlerweile sind seitens der Politik in Anlehnung an Beispiele aus Singapur oder Hong Kong aber auch Rufe nach der Verdichtung und Stapelung von Gewerbe und Industrie laut geworden, wie z. B. durch Hamburgs Oberbürgermeister Olaf Scholz. Eine Verdichtungsmethode, die in Berlin bereits während der Industrialisierung in den Hinterhöfen des Berliner Blocks erprobt wurde. Hypothese Das Entwurfsstudio Deep Tower basiert auf der Hypothese, das angesichts des wachsenden Verdrängungsdrucks auf Gewerbeflächen ebenfalls deren Verdichtungmöglichkeiten in die Höhe untersucht werden müssen. Diese These soll experimentell anhand der Typologie des "Deep Tower" untersucht werden. Der Deep Tower (tiefer Turm) ist ein Hochhaus, das durch eine große Gebäudetiefe und die Stapelung von Gewerbehallen unterschiedliche Arten von Produktion aufnehmen kann. ![]() Grundstück Das Entwurfsstudio entwickelt unterschiedliche, experimentelle Typen des Deep Tower für ein zentral gelegenes Gewerbegebiet, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu Wohnvierteln und dem öffentlichen Verkehrssystem befindet. Aufgrund dieser Charakteristika wird von der Annahme ausgegangen, daß es in naher Zukunft zu einem urbanen Gebiet umgewandelt werden kann. Produktion und Dimensionierung Ein wichtiger Aspekt ist der vielfältige Bedarf an neuen und etablierten Produktionsformen. Einerseits sollen unterschiedliche, flächenintensive Produktionsformen (z. B. Fertigung von Baumaterialien, Entwicklung von Prototypen, Lebensmittelproduktion etc.) möglich sein. Andererseits soll der Deep Tower auch kleinteilige Programme des Urban Manufacturing und des Handwerks beherbergen können. Jede dieser Nutzungen hat ihre eigenen räumlichen Bedürfnisse. Das Gebäude muss diesen Anforderungen durch eine großzügige Dimensionierung mit einer Traufhöhe zwischen 22 m und 60 m (Hochhaus), einer Gebäudetiefe ab 25 m und Geschosshöhen ab 6,80 m Rechnung tragen. Gleichzeitig soll es (im Schnitt und/oder im Grundriss) in kleinere Nutzungseinheiten unterteilbar sein. ![]() Lasten und Tragwerk Um großformatige Produktion und Flexibilität zu ermöglichen sind große Deckenspannweiten nötig. Gleichzeitig werden die Stützen, anders als bei konventionellen Hallen, durch die Stapelung weiterer Produktionseinheiten besonders stark belastet. Dies führt zu hohen Anforderungen an das Tragwerk und die Fundamente. Hier sollen intelligente, aber auch wirtschaftliche Lösungen gefunden werden. Warentransport und Erschliessung Produktion ist auf eine reibungslose An- und Ablieferung von Materialien und Produkten angewiesen. Im Falle einer Stapelung steht die innere Erschliessung des Gebäudes angesichts der hohen Transportlasten vor grossen Herausforderungen. Diese Problematik soll entwurfsabhängig. durch den Einsatz von leistungsfähigen Elementen zum vertikalen Warentransport, wie Lasten und LKW-Aufzügen, Rampen, Kränen etc. untersucht werden. Hybridität und urbane Integration Mit dem Deep Tower ist einerseits eine leistungsfähige "Produktionsmaschine" gefordert. Andererseits setzt seine Lage innerhalb eines zukünftig bewohnten, urbanen Gebietes auch eine sensible, städtische Integrationsfähigkeit voraus. Um dies zu gewährleisten werden sicherlich Maßnahmen zur Konfliktvermeidung, wie Emmissionsschutz, zum Wohnen antizyklische Betriebsintervalle, intelligente Verteilung der Produktionsräume etc. nötig sein.Gleichzeitig soll der Deep Tower zusätzlich hybride Programme an der Schnittstelle zur Produktion anbieten. Denkbar sind zum Beispiel urbane Angebote, die im Dach- oder Erdgeschoss der Nachbarschaft zu Gute kommen, oder experimentelle Wohnformen, die Arbeiten, Produktion und Wohnen mischen. Darüberhinaus stellt sich die Frage, wie vor allem in der Erdgeschosszone Urbanität und Anlieferung in Einklang gebracht werden können. Trägermodell und Nutzer Teil der Aufgabe ist es auch, sich Gedanken über das Trägermodell und das Betriebssystem des Projekts zu machen. Diese Überlegungen sind in die Programmatik und typologische Konzeption des Deep Tower zu übersetzen. Hierbei soll im Vordergrund stehen, wer das Projekt betreiben soll (Einzeleigentümer, Kooperative, Produktionsgenossenschaft etc.) und welche Nutzerprofile (Großproduzenten und/oder Kleinproduzenten, gemeinschaftlich-genutzte "flatted factories", mittelständische Unternehmen, etc.) angesprochen werden sollen. Referenzen Zur Annäherung an die Aufgabe werden zu Beginn des Semesters Referenzprojekte unter programmatischen, gestalterischen und konstruktiv-technischen Aspekten untersucht, vor dem Hintergrund veränderter Produktionsbedürfnisse und des aktuellen sozio-ökonomischen Kontexts Berlins kritisch in Frage gestellt, um letztlich taugliche Elemente zu übernehmen und weiter zu entwickeln. |